Unverhofft kompatibel

Vor einiger Zeit fand ich in einer Trödelhalle dieses unscheinbare Behältnis mit Aufschrift Braun Nürnberg,

dessen Inhalt sich als Aufsteck-Halter für Farbfilter entpuppte; je ein gelbes, orangefarbenes, grünes und klares Scheibchen waren dabei.

Zwar habe ich trotz mittlerweile fast musealem Umfang meiner Sammlung historischer Kameras noch keine, die unmittelbar etwas mit der 32-mm-Aufsteckfassung anfangen kann, weshalb ich ursprünglich vorhatte, mir damit für eine der Lochkameras was zu basteln. Aber die Halterung ist zweiteilig mit Schraubgewinde,

und das hat das freundliche Maß 30,5mm. Damit passt es perfekt auf die Rollei 35:

Schöne Sache, das. Die Rollei habe ich sowieso sehr gern, weil ihr knackscharfes 40er einen für viele Zwecke idealen Bildwinkel hat und die Kamera nicht halb so viel Raum in der Tasche einnimmt wie z.B. die M4P (mehr über die Rollei 35 nebenan bei Josef Tröszter). Und mit gleich drei Farbfiltern – für in diesem Fall einen einstelligen Eurobetrag – ist das Schnuckelchen für Schwarzweiß jetzt ideal ausgestattet.

Die Sache mit der Beugung

Die meisten Großformatkameras (zumindest die analogen) sind so einfach aufgebaut, dass man mit wenig Aufwand praktisch alles als Objektiv adaptieren kann, was ein oder mehrere Linsen hat – Hauptsache, es erzeugt einen hinreichend großen Bildkreis für das gewünschte Aufnahmeformat und hat nicht mehr Brennweite, als der Balgen an Auszug hergibt. Bei Objektiven, die ursprünglich für große Reprokameras gemacht waren, stellt sich zumindest die Bildkreisfrage nicht, wenn man höchstens 13×18 cm belichtet; und so habe ich neulich ein Rodenstock Apo-Ronar 480mm f/9 in Betrieb genommen und erste Tests gemacht.

Zur dafür erforderlichen Bastelei vielleicht später was, hier geht es mir um einen Effekt, der mir bis dato noch nicht begegnet war:

Das Objektiv kam ohne Verschluss zu mir, und einen Hinterlinsenverschluss besitze ich auch noch nicht. Deshalb war ich einerseits dankbar, dass das Objektiv rückwärtig ein Filtergewinde hat, in das mein ND400-Graufilter reinpasst – damit komme ich auch im Offenblenden-Bereich auf Belichtungszeiten von mehreren Minuten, wodurch sich sehr komfortabel per Deckel auf / Deckel zu belichten lässt. Andererseits ist der Blendenbereich regelbar bis f/260, wodurch man auch mal bei Tageslicht aufs ND-Filter verzichten kann. Dachte ich …

Von weitem sehen die entsprechenden Testbilder (auf Rollfilm 6×7) auch gut aus: Für eine Brennweite, die bei 6×7 bereits einem kräftigen Teleobjektiv entspricht, ist die Schärfentiefe bei starkem Abblenden recht spektakulär, siehe die beiden Vergleichsbilder mit f/11-16 bzw. f/180 – eins mit, eins ohne Graufilter.

Aber schaut man genauer hin, dann ist da beim weit abgeblendeten Bild eine gewisse Flauheit, ein Verlust an Detailauflösung, der im offenen trotz des zusätzlichen Filters nicht vorhanden ist und der meines Erachtens auch nicht (oder nicht nur) auf Verwacklung zurückzuführen ist, weil er wiederkehrend bei unterschiedlichsten Belichtungszeiten auftritt:


Das muss diese berüchtigte Beugungsunschärfe sein, die man im normalfotografischen Leben praktisch nie sieht, weil sich die meisten Objektive nicht weiter abblenden lassen, als es ihrem jeweiligen Einsatzgebiet förderlich ist. Fraglich, warum das hier vorgesehen ist, zumal ja beim primären Zweck eines Reproobjektivs, eben der Reproduktion, gar keine nennenswerte Tiefenschärfe erforderlich ist (okay, außer der Differenz zwischen der Gegenstandsweite im Zentrum bzw. den Ecken).

Jedenfalls sollte ich offensichtlich, wenn ich Wert auf möglichst hohe Bildschärfe lege, das Objektiv nicht viel weiter als f/45 abblenden. Dann bleibt es eben beim Graufilter, um auf manuell steuerbare Belichtungszeiten zu kommen … Action ist für solche Kamera-/Objektiv-Kombinationen ohnehin nicht das typische Einsatzgebiet 🙂 Oder ich mache Negativvorlagen für Cyanotypien auf Büttenpapier, dann ist das letzte Krümelchen Auflösung auch verzichtbar …

Blaupausen (2)

Wie neulich versprochen, beschreibe ich nun einmal Schritt für Schritt mein Vorgehen beim Erstellen einer Cyanotypie. Die Bilder sind zwar bezüglich der Arbeitsabfolge chronologisch, ich habe sie allerdings während unterschiedlicher Produktionen geknipst. Die grundlegende Rezeptur habe ich beim bereits mehrfach erwähnten Wolfgang Autenrieth gefunden.

An Chemikalien werden benötigt: Kaliumhexacyanoferrat (III) vulgo Rotes Blutlaugensalz sowie Ammoniumeisen(III)-Citrat.

In jeweils 100ml (destilliertem) Wasser löst man 8g des Blutlaugensalzes bzw. 20g des Citrats auf und hält diese Lösungen zunächst getrennt.

Kühl und dunkel lassen sich die beiden Lösungen wochenlang lagern.

Die Arbeitslösung, mit der das Papier sensibilisiert wird, erzeugt man, indem die beiden Flüssigkeiten zu gleichen Teilen gemischt werden – ich verwende dafür jeweils eine Einwegspritze und mische typischerweise 2x 5ml, das reicht je nach Bildformat für rund ein Dutzend Bilder. Die so entstandene hellgrüne Flüssigkeit trage ich bei gedämpftem Licht dünn mit einem Pinsel auf Büttenpapier auf – ungefähr in der Größe des Negativs, das ich „abziehen“ möchte.

(Ein Wort zum Negativ: Ich verwende SW-Filme aus Mittel- und Großformatkameras. Besonders gut werden die Ergebnisse, wenn die Negative einigermaßen kontrastreich sind, aber zwischen Schwarz und Transparent auch noch einige Zwischentöne zeigen. Wenn man andere Größen braucht oder der Ausgangspunkt ein Digitalfoto ist, kann man sein Negativ auch auf Transparentfolie ausdrucken.)

Das lichtempfindlich beschichtete Papier lasse ich ein paar Stunden in der Dunkelheit einer Schublade trocknen.

Zum Belichten lege ich jeweils ein Negativ mit der Schichtseite nach unten auf ein Blatt sensibilisierten Papiers. Wenn die Sonne scheint, wird im Garten belichtet. Dazu werden die Bilder unter eine Glasscheibe gepresst, damit sie möglichst plan liegen – sonst wird es unscharf.

Die Schlechtwetteralternative ist ein UV-Belichter, der sich einfachstenfalls aus Flachbettscanner und Gesichtsbräuner basteln lässt. – In jedem Fall ist die Belichtungszeit auszutesten, es können ein paar Minuten oder auch eine halbe Stunde sein.

Die Beschichtung des Papiers verfärbt sich während der Belichtung – wenn das Negativ kleiner ist als die aufgetragene Schicht, lässt sich das gut beobachten – erst ins Dunkelgrüne, dann Richtung Blau/Braun, und dann ist es Zeit, das Papier aus der Sonne zu holen …

… und zu wässern. Die meisten Quellen empfehlen fließendes Wasser, ich habe allerdings auch gute Erfahrungen damit gemacht, die Bilder mit etwas Bewegung in einer großen Entwicklerschale baden zu lassen, bis alle Spuren von Grün aus dem Papier ausgewaschen sind und das Bild nur noch Blautöne umfasst.

Anschließend werden die Bilder getrocknet und ggfs. noch gepresst. Einem Hinweis von thewhitedarkroom folgend habe ich auch mal probiert, mit Wasserstoffperoxid (Blondspray) nachzubehandeln, die Ergebnisse sind allerdings noch uneinheitlich – nur manchmal wird das Blau intensiver, woran das liegt, ist noch zu prüfen.

Wenn alles geklappt hat, kann man sich über eine „Blauweißfotografie“ mit entzückend altmodischer Anmutung freuen. Vielleicht noch ein schlichter Rahmen, und die Cyanotypie ist ein echtes Schmuckstück:

Blaupausen (1)

Einfach und billig sei sie, dafür von geringer Qualität. Das attestiert der Cyanotypie zumindest Wolfgang Autenrieth in seinem empfehlenswerten Referenzhandbuch für Hexenköche, „Alte und neue Techniken der Radierung und Edeldruckverfahren“. Man kann es aber auch so sehen:

Der Charakter einer Cyanotypie harmoniert ganz wunderbar mit den Negativen, die sich etwa mithilfe einer historischen Plattenkamera anfertigen lassen – wie beim Aufmacherbild dieses Artikels –, und damit ist dieses Verfahren genau in meinem Radar …

Was die Qualität betrifft, so hat Autenrieth durchaus Recht: Insbesondere die Halbtonwiedergabe ist mäßig. Hier als Beispiel mein Beitrag zum Pinholeday 2016, zuerst als kaum bearbeiteter Flachbettscan vom 6×9-Negativ

und dann als reproduzierte Cyanotypie auf Büttenpapier:

(Man beachte insbesondere den vollständigen Verlust an Zeichnung im Himmel – hätte ich länger belichtet, um die Wolke zu retten, wären die ohnehin schon dunklen Partien völlig zugelaufen.)

Aber glücklicherweise geht es in der bildmäßigen Fotografie ja nicht immer um die perfekt abgestufte Tonwertwiedergabe … Zum Charme dieses Prozesses gehört, dass sich aus einer Vorlage eine große Bandbreite unterschiedlichster Ergebnisse herauskitzeln lässt. Die folgenden zwei Bilder basieren auf demselben 9×12-Negativ, ich habe sie lediglich unterschiedlich lange (und einmal versehentlich spiegelverkehrt) belichtet:

In jedem Fall dürfte das Cyanotypie-Verfahren die anfängerfreundlichste Einstiegsmöglichkeit in die Welt der fotografischen Edeldruckverfahren sein: Man benötigt nur wenige, zudem ungiftige Chemikalien, kann bei gedämpftem Licht statt in absoluter Dunkelheit arbeiten, belichtet mit Sonne und entwickelt mit Wasser.

Und wie genau das vor sich geht, darum geht es hier in einem der nächsten Beiträge.

Alt in jeder Hinsicht

Historische Technik, fotografiert mit historischer Technik:

Insbesondere das Bild der Andruckpresse vor dem Garagenfenster erscheint mir hervorhebenswert: Ich habe es mit einer Lochkamera mit 60mm Bildweite auf Fotopapier aufgenommen und ob der effektiven Blende von ca. f/300 (bezogen aufs Bildzentrum) einen ganzen Tag lang, ziemlich genau neun Stunden, belichtet. Die Schattenpartien hätten allerdings noch drei Tage mehr vertragen können …

Vom Digitalfoto zur Buchdruck-Postkarte

Als ich dieser Website den (mittlerweile geänderten) Untertitel „postdigitaler Handpressendruck“ gab, spielte da einerseits mein Gefühl eine Rolle, dass die digitale Ära ihre besten Jahre schon wieder hinter sich hat; andererseits nutze ich als Kind dieser Zeit natürlich die sich bietenden Möglichkeiten und verwende Digitaltechnik, wo immer sie mir einen Vorteil bietet – auch unterstützend bei Buchdruck-Projekten. Im Folgenden zeige ich eine der vielen denkbaren Möglichkeiten, wie aus einem Digitalfoto eine Handpressen-Postkarte entsteht:

Ausgangspunkt ist ein Segelboot, aufgenommen 2012 mit langem Tele bei Frühnebel an der Ostsee.

Die Raw-Datei wird auf sehr steilen Kontrast hin ausgearbeitet und dann mit dem Laserdrucker auf Overheadfolie ausgedruckt (folgendes Bild, links); dieses durchscheinende Positiv kopiere ich in der Dunkelkammer im Kontakt, Schicht auf Schicht, auf Strich-Planfilm um (rechts).

(Man sieht hier deutlich, dass ich den Lithfilm reichlich belichtet habe, um feinste Details noch durch Überstrahlung zu beseitigen und dergestalt weiter zu abstrahieren.)

Das so entstandene Negativ wandert sodann in den UV-Belichter, wo es auf eine Nyloprint-Fotopolymerplatte umkopiert wird. Damit einwandfreie Planlage gewährleistet ist (sonst wird das Klischee unscharf), muss die Platte etwas größer zugeschnitten sein als der Film; ich muss also nach Belichtung, Auswaschen und Härten die Platte noch auf das druckende Endformat zuschneiden.

In Ermangelung einer soliden Schlagschere mache ich das mit einem Teppichmesser, wenig Druck und viel Geduld, um die endgültige Trennung mit Biegen über die Kante des Schneidelineals zu bewerkstelligen.

 

Danach habe ich also eine Druckform, mit der ich nun Johanna, die große Andruckpresse, bestücke und die gewünschte Stückzahl drucke:

Weil im Lauf des Abstraktionsprozesses viel Wasser im Bild verloren gegangen ist – und auch um zu schauen, wie es aussieht –, lege ich für einen Teil der Auflage noch eine zweite Druckform an, in der ich per Holzschnitt etwas Wasseroberfläche nachliefere:

 

Nachdem das bewältigt ist, folgt noch die Rückseitenbeschriftung der Postkarten mit einem kleinen Urhebervermerk. Das erledige ich mit einer schnell gesetzten Zeile Bleisatz und der Hilfe von Adele, der winzigen Tiegelpresse:

 

Dann nur noch aufs Nettoformat beschneiden, und schon sind die Postkarten fertig. Manche so,

manche so,

und ein paar habe ich auch mit bewusst stärker unterfüttertem Nyloklischee gedruckt (ein, zwei Stückchen 80g-Papier machen da schon einen Unterschied), um auch die eigentlich nicht druckenden Partien des Klischees einzufärben und so etwas zusätzliche Struktur in den Himmel zu zaubern:

Tatsächlich sehen über die gesamte Auflage hin keine zwei Karten genau gleich aus, auch weil ich zwischendurch mal den Farbton variiert habe. Für exakte Reproduzierbarkeit könnte ich schließlich auch digital drucken (lassen), das wäre schneller und billiger. In den kleinen Abweichungen hier und da liegt für mich der Charme dieser Technik – es ist nun mal Handwerk und keine Roboter-Produktion.