Zwei Buch­empfehlungen

Natürlich finden sich in den Weiten des Netzes zu jeder nur denkbaren Drucktechnik Anregungen und Anleitungen – mal mehr, mal weniger nützlich. Ich finde es allerdings aus vielerlei Gründen angenehmer, Nachschlagewerke in gedruckter Form zu nutzen. Zwei herausragende Vertreter dieser Spezies im Themenkomplex dieser Website:

Bereits im vorigen Beitrag erwähnte ich Wolfgang Autenrieths Werkstattbuch „Neue und alte Techniken der Radierung und Edeldruckverfahren“. Es handelt sich um eine gut strukturierte Rezeptsammlung für diverse Prozesse der Bildwiedergabe, überwiegend, aber nicht beschränkt auf den Tiefdruck – von Jahrhunderte alten Ätzverfahren bis zum Photopolymer –, und es ist bestens geeignet für Leute, die nicht davor zurückschrecken, Pülverchen und Elixiere selbst zu mischen und zu verarbeiten.

Erschienen ist das Buch im Selbstverlag, es lässt sich direkt beim Autor beziehen. Man sieht ihm deutlich an, dass grafische und typografische Finesse nicht weit oben auf der Prioritätenliste standen, aber die schiere Informationsdichte und -tiefe, die vielen praktischen Tipps und Warnhinweise sowie das üppige Quellenverzeichnis machen das mehr als wett.

Breiter angelegt ist „Printmaking – A Complete Guide to Materials & Processes“ von Bill Fick und Beth Grabowski. Noch etwas größer im Format als der Autenrieth und opulent farbig bebildert sowohl mit exemplarischen Reproduktionen als auch mit Schritt-für-Schritt-Anleitungen, behandelt dieser Wälzer alle wesentlichen analogen und digitalen Druckverfahren. Und auch wenn es dabei nicht ins letzte Detail geht, wird alles zumindest so weit erklärt, dass die Prozesse grundsätzlich nachvollziehbar erscheinen. Hilfreiche Anhängsel sind hier ein Glossar sowie eine umfangreiche Troubleshooting-Sektion. Doch schon beim ersten Durchblättern macht Printmaking großen Appetit, möglichst alles mal auszuprobieren. – Dieses Werk liegt auch auf Deutsch vor, nämlich bei Dumont als „Drucktechniken. Das Handbuch zu allen Materialien und Methoden“, und auch hier inzwischen als zweite, erweiterte Auflage. Die erste deutsche Auflage hatte ich ein paar Mal aus der Stadtbücherei ausgeliehen und habe mich aus zwei Gründen dann entschieden, die englische besitzen zu wollen: erstens, weil die Übersetzung ziemlich schlecht redigiert war, und zweitens, weil es beim Handpressendruck wie bei vielen anderen Dingen des täglichen Lebens die Recherchemöglichkeiten im Internet erheblich erweitert, wenn man die englischen Fachbegriffe kennt …

Blaupausen (1)

Einfach und billig sei sie, dafür von geringer Qualität. Das attestiert der Cyanotypie zumindest Wolfgang Autenrieth in seinem empfehlenswerten Referenzhandbuch für Hexenköche, „Alte und neue Techniken der Radierung und Edeldruckverfahren“. Man kann es aber auch so sehen:

Der Charakter einer Cyanotypie harmoniert ganz wunderbar mit den Negativen, die sich etwa mithilfe einer historischen Plattenkamera anfertigen lassen – wie beim Aufmacherbild dieses Artikels –, und damit ist dieses Verfahren genau in meinem Radar …

Was die Qualität betrifft, so hat Autenrieth durchaus Recht: Insbesondere die Halbtonwiedergabe ist mäßig. Hier als Beispiel mein Beitrag zum Pinholeday 2016, zuerst als kaum bearbeiteter Flachbettscan vom 6×9-Negativ

und dann als reproduzierte Cyanotypie auf Büttenpapier:

(Man beachte insbesondere den vollständigen Verlust an Zeichnung im Himmel – hätte ich länger belichtet, um die Wolke zu retten, wären die ohnehin schon dunklen Partien völlig zugelaufen.)

Aber glücklicherweise geht es in der bildmäßigen Fotografie ja nicht immer um die perfekt abgestufte Tonwertwiedergabe … Zum Charme dieses Prozesses gehört, dass sich aus einer Vorlage eine große Bandbreite unterschiedlichster Ergebnisse herauskitzeln lässt. Die folgenden zwei Bilder basieren auf demselben 9×12-Negativ, ich habe sie lediglich unterschiedlich lange (und einmal versehentlich spiegelverkehrt) belichtet:

In jedem Fall dürfte das Cyanotypie-Verfahren die anfängerfreundlichste Einstiegsmöglichkeit in die Welt der fotografischen Edeldruckverfahren sein: Man benötigt nur wenige, zudem ungiftige Chemikalien, kann bei gedämpftem Licht statt in absoluter Dunkelheit arbeiten, belichtet mit Sonne und entwickelt mit Wasser.

Und wie genau das vor sich geht, darum geht es hier in einem der nächsten Beiträge.

CAB

… steht hier spaßeshalber für Computer Aided Bleisetzing – was man heute halt so tut, wenn man eine unbeschriftete Schublade mit einer 20p-Antiqua in der Setzgasse hat, die man an keiner der „üblichen Verdächtigen“ sicher erkennt:

Dann geht man z.B. zu identifont und klickt sich in einem guten Dutzend Fragen durch die Charakteristika. Manchmal (wenn man z.B. irgendwelche 20er-Jahre-Bastardschnitte oder DDR-Bestände hat) findet man nichts, meist findet man eine Auswahl aus zwei oder drei Möglichkeiten, und wenn man Glück hat – so wie hier –, dann ist die Schriftart nach wenigen Minuten eindeutig als Fournier identifiziert – eine charmante Alternative zur Bodoni, mit der ich sie am Anfang fast verwechselt hätte, aber vor allem die Proportionen sind doch deutlich andere.

Schubladen­denken


…ist im Handsatz nicht nur nicht verpönt, sondern eine durchaus sinnvolle Sache. Übers weitgehend sauwettrige Wochenende habe ich just begonnen, die Bestände meiner Setzgasse zu katalog- und kategorisieren. Meine neue Systematik ist typografiegeschichtlich mit Sicherheit nicht der Weisheit letzter Schluss, aber für meine Zwecke allemal ausreichend: