Schubladen­denken


…ist im Handsatz nicht nur nicht verpönt, sondern eine durchaus sinnvolle Sache. Übers weitgehend sauwettrige Wochenende habe ich just begonnen, die Bestände meiner Setzgasse zu katalog- und kategorisieren. Meine neue Systematik ist typografiegeschichtlich mit Sicherheit nicht der Weisheit letzter Schluss, aber für meine Zwecke allemal ausreichend:

Platznot macht auch erfinderisch

Dank der Umstellung von Öl- auf Gasheizung sind in unserem Keller in diesem Herbst zehn Quadratmeter frei geworden, in die nach einigen Renovierungsmaßnahmen gerade meine Handpressendruckerei umzieht. Nun sind zehn Quadratmeter besser als nichts, aber wenn man eine Setzgasse, einen Planschneider und zwei Pressen abzustellen hat, ist es auch nicht üppig viel.

Einen Hordentrockner beispielsweise, so gern ich einen hätte, würde ich momentan definitiv nicht unterbringen. Aber weil die frisch gedruckte Auflage ja irgendwo trocknen muss, habe ich in einer dankenswerterweise vorhandenen Wandnische kurzerhand was gebaut:

Das Rohmaterial kommt aus dem Baumarkt und hat nur einen Bruchteil selbst eines gebrauchten Hordentrockners gekostet:

Die Auszüge sind dünne (gleich im Laden auf Maß gesägte) Spanplatten, sie laufen auf Systemregal-Wandschienen, die wiederum auf an die Wand gedübelten OSB-Platten festgeschraubt sind. Bei der ersten Produktion, die dort unten lief, hat diese Konstruktion ihren Zweck prima erfüllt; sollte ich irgendwann das Gefühl haben, dass bessere Belüftung Not tut, dann rücke ich den Auszügen noch mit dem Topflochbohrer auf den Leib.

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Eher in die Kategorie IKEA-Hack fällt mein Trockengitter über der Heizung (für Sachen, die schnell trocknen sollen, ohne direkt auf dem Heizkörper zu liegen):

Das benötigt außer dem Rost nur zwei Bohrhaken und ein passend abgelängtes Stück Schnur. Und wenn es nicht benutzt wird, klappt man es flach an die Wand weg:

Formsatz

Im vorigen Eintrag mag der einen oder anderen Leserin ein formgesetzter Text aufgefallen sein. Das ist William Shakespeares wohl bekanntestes Sonett, Numero 18, Shall I compare thee to a summer’s day?, und das habe ich in eben dieser dekorativen Form aus der 12p Garamond (frischer Monotype-Guss) gesetzt, um ein adäquates Goldhochzeits- bzw. Geburtstagsgeschenk zu haben:

Gedruckt ist das Herzchen auf Aspero Natural 400g von Geese Papier, und zum Verschenken habe ich es noch auf mehrere Lagen roten Kartons kaschiert und dann „schwebend“ in einem schlichten weißen Rahmen montiert. Damit sich die Mühe des Setzens lohnte, habe ich natürlich nicht nur zwei, sondern insgesamt 55 Exemplare (plus ein paar Stück Ausschuss) gedruckt, von denen, wie bei mir üblich, durch das Handeinfärben der Druckform usw. keine zwei Exemplare exakt identisch aussehen.

Alt in jeder Hinsicht

Historische Technik, fotografiert mit historischer Technik:

Insbesondere das Bild der Andruckpresse vor dem Garagenfenster erscheint mir hervorhebenswert: Ich habe es mit einer Lochkamera mit 60mm Bildweite auf Fotopapier aufgenommen und ob der effektiven Blende von ca. f/300 (bezogen aufs Bildzentrum) einen ganzen Tag lang, ziemlich genau neun Stunden, belichtet. Die Schattenpartien hätten allerdings noch drei Tage mehr vertragen können …

Vom Digitalfoto zur Buchdruck-Postkarte

Als ich dieser Website den (mittlerweile geänderten) Untertitel „postdigitaler Handpressendruck“ gab, spielte da einerseits mein Gefühl eine Rolle, dass die digitale Ära ihre besten Jahre schon wieder hinter sich hat; andererseits nutze ich als Kind dieser Zeit natürlich die sich bietenden Möglichkeiten und verwende Digitaltechnik, wo immer sie mir einen Vorteil bietet – auch unterstützend bei Buchdruck-Projekten. Im Folgenden zeige ich eine der vielen denkbaren Möglichkeiten, wie aus einem Digitalfoto eine Handpressen-Postkarte entsteht:

Ausgangspunkt ist ein Segelboot, aufgenommen 2012 mit langem Tele bei Frühnebel an der Ostsee.

Die Raw-Datei wird auf sehr steilen Kontrast hin ausgearbeitet und dann mit dem Laserdrucker auf Overheadfolie ausgedruckt (folgendes Bild, links); dieses durchscheinende Positiv kopiere ich in der Dunkelkammer im Kontakt, Schicht auf Schicht, auf Strich-Planfilm um (rechts).

(Man sieht hier deutlich, dass ich den Lithfilm reichlich belichtet habe, um feinste Details noch durch Überstrahlung zu beseitigen und dergestalt weiter zu abstrahieren.)

Das so entstandene Negativ wandert sodann in den UV-Belichter, wo es auf eine Nyloprint-Fotopolymerplatte umkopiert wird. Damit einwandfreie Planlage gewährleistet ist (sonst wird das Klischee unscharf), muss die Platte etwas größer zugeschnitten sein als der Film; ich muss also nach Belichtung, Auswaschen und Härten die Platte noch auf das druckende Endformat zuschneiden.

In Ermangelung einer soliden Schlagschere mache ich das mit einem Teppichmesser, wenig Druck und viel Geduld, um die endgültige Trennung mit Biegen über die Kante des Schneidelineals zu bewerkstelligen.

 

Danach habe ich also eine Druckform, mit der ich nun Johanna, die große Andruckpresse, bestücke und die gewünschte Stückzahl drucke:

Weil im Lauf des Abstraktionsprozesses viel Wasser im Bild verloren gegangen ist – und auch um zu schauen, wie es aussieht –, lege ich für einen Teil der Auflage noch eine zweite Druckform an, in der ich per Holzschnitt etwas Wasseroberfläche nachliefere:

 

Nachdem das bewältigt ist, folgt noch die Rückseitenbeschriftung der Postkarten mit einem kleinen Urhebervermerk. Das erledige ich mit einer schnell gesetzten Zeile Bleisatz und der Hilfe von Adele, der winzigen Tiegelpresse:

 

Dann nur noch aufs Nettoformat beschneiden, und schon sind die Postkarten fertig. Manche so,

manche so,

und ein paar habe ich auch mit bewusst stärker unterfüttertem Nyloklischee gedruckt (ein, zwei Stückchen 80g-Papier machen da schon einen Unterschied), um auch die eigentlich nicht druckenden Partien des Klischees einzufärben und so etwas zusätzliche Struktur in den Himmel zu zaubern:

Tatsächlich sehen über die gesamte Auflage hin keine zwei Karten genau gleich aus, auch weil ich zwischendurch mal den Farbton variiert habe. Für exakte Reproduzierbarkeit könnte ich schließlich auch digital drucken (lassen), das wäre schneller und billiger. In den kleinen Abweichungen hier und da liegt für mich der Charme dieser Technik – es ist nun mal Handwerk und keine Roboter-Produktion.

Anlege­beratung


Dies ist Adele, eine der jüngeren Mitarbeiterinnen in meiner Druckerei. Adele heißt mit vollständigem Namen Adana Eight-Five; sie wirkt neben einem historischen Bostontiegel von gern mal dem zehnfachen Gewicht (und erst recht neben Johanna) extrem filigran, fast wie ein Spielzeug, aber man kann durchaus ernsthaft mit ihr arbeiten und ist bei Bedarf sehr mobil dabei – dazu habe ich schon ein paar Ideen, aber das wird zu gegebener Zeit vertieft …

Nicht so schön ist der Umstand, dass es bei der Adana ein ziemliches Gefrickel ist, die untere Papieranlage waagerecht auszurichten. Deshalb bin ich nach den ersten Probedrucken selbst kreativ geworden und habe eine Skala mit 2-mm-Abstufung entworfen, auf Transparentfolie gedruckt (ausnahmsweise mit dem Laser statt mit der Handpresse) und hinter den Aufzug geklebt.

Und weil die Adana 8×5 ein ziemlich verbreitetes Gerät ist, stelle ich die Vorlage hier als Download zur Verfügung. Profitipp: Gespiegelt ausdrucken und mit der Schichtseite nach unten aufkleben. Verschleißt dann nicht so schnell!

Farbkleckserei

Einerseits ist man als Drucker ja ständig mit dem einen oder anderen Finger im Farbtopf,

andererseits sollte man spätestens beim Auflagendruck drauf achten, keine Fingerabdrücke zu hinterlassen.

Und weil ich nicht ständig aus der Garage zum Badezimmer rennen mag, steht in der Werkstatt seit kurzem ein Eimer mit Handreinigungstüchern aus dem Werkzeugladen.

Das ist zwar kein ganz billiges Vergnügen, aber wenn man so ein Tuch nach Gebrauch in ein Schraubdeckelgefäß packt,

kann man es durchaus auch am nächsten und übernächsten Tag noch mal benutzen; und dann ist es gut investiertes Geld.
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Eine Erkenntnis übrigens aus der Erstellung der oben gezeigten Farbmustertafel: HKS-Farbe ist nicht gleich HKS-Farbe, ein und dieselbe Nummer entspricht je nach Hersteller sehr unterschiedlichen Farbtönen.

Bloß ein Klischee

… aber ein besonderes insofern, als es mein erstes Probe-Klischee ist, das ich selbst mit UV-Belichter, Lithfilm und Nyloprint-Platte erstellt habe.


Denn auch mit noch so vielen Bleilettern-Sätzen gibt es immer noch Dinge, die sich nicht aus der Schublade realisieren lassen, und alles kann und mag man ja auch nicht in Holz schneiden. Wer ein Design aus dem Rechner drucken will, der macht das heute ja per CtP, Computer-to-Plate, aber das ist für eine Ein-Personen-Manufaktur weder finanziell noch ideell akzeptabel.

Deshalb ist der Umweg über die Filmbelichtung einer Druckvorlage nebst chemischer Entwicklung nötig, und anschließend wird dieses Filmnegativ auf eine lichtempfindliche Polymerplatte umkopiert, wo die belichteten Partien aushärten.
Die kann man dann baden, um die unbelichteten Bereiche auszuwaschen – ein besonderes Vergnügen für Leute, die auf intensiv duftenden rosa Schaum abfahren –

und anschließend hat man ein Relief der Positivform, die man nur noch mit geeignetem Unterlegmaterial auf Schrifthöhe bringen muss, um davon drucken zu können.

Keine Frage: In diesem Prozess ist für mich noch Luft nach oben, bis die Ergebnisse standfest und konturenscharf sind, aber schon das Experimentieren macht eine Menge Spaß – es fühlt sich ganz ähnlich an wie damals in den Achtzigern meine ersten Versuche im Fotolabor. Und die Technik mag zwar nicht state-of-the-art sein, sie dürfte jedoch eine Menge kreativ nutzbares Potenzial haben.