Ein neues Experiment zur Bilderzeugung mit ungewöhnlichen Mitteln: Nahlinsen, die man zur Verringerung des Aufnahmeabstands wie Filter vor ein Objektiv schraubt, sind im Prinzip auch Objektive, wenn auch nur solche mit einer bis zwei Linsen (und entsprechenden Abbildungsfehlern). Somit haben sie auch eine definierte Brennweite, nämlich 1000 / Dioptrienwert.

Eine Nahlinse +3 hat demnach 333mm Brennweite; mit 33,3 cm Balgenauszug fokussiert sie also auf Unendlich, mit mehr Auszug entsprechend näher. Und wenn man zwischen Linse und Film abdichtet und ein Loch definierten Durchmessers ausspart (etwa mit einer Objektivplatine), hat man eine exakt berechenbare Blende, bei 15mm beispielsweise f/22 (333 / 15), und kann damit prima fotografieren.

Beweis gefällig?

Dieses Bild habe ich mit dem abgebildeten „Objektiv“ und der 4×5-Inch-Kamera aufgenommen, bei Mittagslicht auf Duplizierfilm niedriger Empfindlichkeit mit etwa vier Sekunden Belichtungszeit:

Ein Detail aus dem Scan, 2000x2000px:

Man sieht deutlich gewisse Weichzeichner-Effekte, insbesondere an den hellen Kanten, die Schärfe ist nicht atemberaubend, aber die Kontraste sind durchaus brauchbar.

Hier zum Vergleich dasselbe Setting mit einem echten 300-mm-Objektiv, einem Apo-Ronar, ebenfalls bei f/22:

Und wieder ein 2000×2000-Ausschnitt:

Klar, das Große zeichnet insgesamt schärfer, detailreicher, liefert weniger Fehler; aber die Nahlinse hat auch ihren Charme. Wenn man mal mit kleiner Großformat-Ausrüstung unterwegs ist, hat man mit minimal Extragewicht und Platzbedarf noch ein Notfall-Objektiv mit engerem Bildwinkel an Bord …

Nahlinse statt Objektiv

2 Gedanken zu „Nahlinse statt Objektiv

  • 10. Oktober 2020 um 20:07 Uhr
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    Lieber Christian,

    solche Experimente sind genau nach meinem Geschmack, nur dass ich das alles an digitalen Kameras mache.

    LG Bernhard

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    • 10. Oktober 2020 um 20:23 Uhr
      Permalink

      Es ist ja auch in vielerlei Hinsicht vorteilhaft, das digital zu machen. Deshalb adaptiere ich in letzter Zeit sehr gern die MFT an eine Großformatkamera. Die Oly M5 hast du ja auch – deren quasi nicht vorhandener Handgriff ist dafür ein immenser Vorteil: man kann einen nicht mal 1cm tiefen LM-Adapter an ein Standard-Lensboard* frickeln (Lochgröße Copal #1 ist nahezu ideal fürs MFT-Bajonett) und hat ohne unnötig Auszug genug Platz fürs komplette Kamera-Handling. Mit etwas Zeit schreibe ich darüber auch mal einen Artikel.

      * Ich weiß gar nicht, wie das bei anderen Kameratypen ist, aber beim GF-„Volkswagen“ Cambo SC 4×5 sind Balgen-, Objektiv- und Rückteilaufnahme baugleich, was das Basteln immens vereinfacht.

      Antwort

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